Geldtheorie-Taxonomie

1965 hat Werner Ehrlicher eine funktionale Systematik der Theorien über das „Wesen des Geldes“ entwickelt.[1]„Wesen des Geldes“ meint die Voraussetzungen, die das Geldmaterial erfüllen muss, um die Geldfunktionen ausüben zu können.

  • Wird das Wesen des Geldes primär aus der Wertaufbewahrungsfunktion bestimmt, betonen diese Theorien „den Warencharakter des Geldes für Entstehung, Funktion und insbesondere für die Wertbegründung.“[2] Es sind metallistische Theorien, bei denen „Geld (…) nur eine Ware sein [kann], die wegen ihres Eigenwertes geschützt wird, d.h. also einen unabhängig von der Geldqualität existierenden selbständigen Gebrauchswert hat.“[3] Die Produktionskostentheorie „kann als die der Warentheorie korrespondierende Geldwerttheorie bezeichnet werden.“[4] Auch wenn die anderen Geldfunktionen auch für Warengeld von Bedeutung sind, so ist doch „die Wertaufbewahrungsfunktion (…) die konstitutive (…), aus der die Fähigkeit zur Erfüllung der übrigen Funktionen resultiert.“[5]
  • Wird das Wesen des Geldes primär aus der Zahlungsmittelfunktion bestimmt, basieren diese Theorien auf der rechtlichen Setzung, derer ein Kredit bedarf. Beginnend mit der Konventionstheorie des Geldes, die besagt, dass „das Geld seine Entstehung und Geltung einer Übereinkunft der Menschen, ein bestimmtes Gut als Zahlungsmittel anzunehmen, verdankt“[6], ist dies der zentrale Aspekt von Georg Friedrich Knapp und seiner Tradition, bei der das Geld „ein Geschöpf der Rechtsordnung“[7] ist und es durch Proklamation des Staates entsteht.
  • Wird das Wesen des Geldes primär aus der Tauschmittelfunktion bestimmt, sehen diese Theorien die „Primärfunktion des Geldes die wertbegründende Funktion ansprechen, die sie in der Tauschmitteleigenschaft sehen.“[8] Die Funktionswerttheorie bestimmt das Wesen und den Wert des Geldes von seiner Funktion als Tauschmittel, also als Tauschgut. Die Nachfrage nach Geld ist ein aus der Güterwelt abgeleitetes Bedürfnis.
  • Wird das Wesen des Geldes primär aus der Rechnungsmittelfunktion (also der Recheneinheitsfunktion) bestimmt, wird „nicht auf die individuell konkreten Tauschakte, sondern auf die dahinterstehenden bzw. in einer anderen logischen Ebene liegenden abstrakt quantitativen Zusammenhänge abgestellt.“[9] Es ist ein abstrakter Maßstab und nicht an einem Standardgut orientiert. Die Anweisungstheorie sieht Geld als „Anweisung“ auf einen dem eigenen Beitrag zum Sozialprodukt entsprechenden Anteil desselben, als „Eintrittsbilletts“. Wesen und Wert liegen nicht im konkreten Tauschgeschehen, sondern im abstrakt-kreislauftheoretisch aufgefassten Zusammenhang zwischen Einkommen, Produktion und Preisen.

Der Ehrlicher-Ansatz ist die Grundlage für eine weitergehende, hier verwendete Taxonomie. Es wird angenommen, dass sich auch der Geldwert aus dem Wesen des Geldes ableitet. Daher sind die Geldwerttheorien Fortführungen der vorherigen funktionsbezogenen Geldwesenstheorien mit der Frage nach der Wertbestimmung. Eine solche Ableitung wird auch für die Wertbestimmung des Kreditgeldes unterstellt.

Die Anwendung dieser Systematik auf die in dieser Sammlung vorgestellten Autoren und Texte, sowie auf weitere Beispiele ergibt folgende Darstellung:

Je nach zentraler Fragestellung (Geldwesen, Geldwert oder Kreditgeld) befinden sich die Autoren in anderen horizontalen Zuordnungen. Manche Autoren haben sich in den betrachteten Textstellen mit verschiedenen Fragestellungen beschäftigt und tauchen daher auch wiederholt auf. Die Begründung der Zuordnung findet sich jeweils am Ende der Kapitel zu den Autoren im Buch „Geld-Theorie-Geschichte“.


[1] vgl. Ehrlicher, Werner (1965): Geldtheorie, In: Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, Band 4, 1965, S. 231-258

[2] Ehrlicher (1965) S. 233

[3] Ehrlicher (1965) S. 233

[4] Ehrlicher (1965) S. 233

[5] Ehrlicher (1965) S. 233

[6] Ehrlicher (1965) S. 233

[7] Knapp, Georg Friedrich (1905): Staatliche Theorie des Geldes, Leipzig: Duncker & Humblot, 1905, S. 1 (in diesem Buch enthalten)

[8] Ehrlicher (1965) S. 233

[9] Ehrlicher (1965) S. 234

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